Referat (Seminarvortrag)

Seminarvorträge gehören zu den anspruchsvollsten Studienleistungen und verlangen die Berücksichtigung der folgenden Punkte:

Funktion eines Referats

Das Referat ist in der Regel eine schriftliche Arbeit, die zu einem bestimmten festgelegten Termin im Seminar zum Vortrag kommen soll. Allerdings kann ein Referat auch ganz ohne schriftliche Grundlage oder nur auf Basis einiger notierter Stichworte oder entlang einer Reihe von Präsentationsfolien gehalten werden. In manchen Disziplinen ist dies eher die Standardanforderung, in anderen dominiert die schriftlich ausgearbeitete Grundlage, zumal viele Seminarleiter vorher durchsehen wollen, was der Referent vorzutragen gedenkt. Die Themen für Referate beziehungsweise ihre Gegenstände werden in der Regel vergeben (und nicht von den Referenten bestimmt). Das heißt, sie sind vorweg vom Seminarleiter festgelegt und in eine Reihenfolge gebracht worden, in der sie dann im Semester nacheinander zum Vortrag kommen sollen. 

Damit verbunden ist, dass der Seminarleiter meist eine recht genaue Vorstellung davon hat, was das Referat zu leisten hat. Das kann sich auf eine bestimmte Schwerpunktsetzung bei einem Thema beziehen, auf die Behandlung einer bestimmten Frage, deren Erörterung in den Mittelpunkt gestellt werden soll, oder auf die Auswertung bestimmter Literatur zum Thema. 

Organisation des Vortrags vom Zuhörenden her

Für die Qualität eines Seminarvortrags ist nicht entscheidend, was Sie „abgeladen“ haben, sondern was bei den anderen Studierenden „angekommen“ ist. Deshalb muss ein Vortrag anders strukturiert und formuliert werden als eine zum Lesen bestimmte Ausarbeitung. Sie müssen sich praktisch in die Situation Ihrer Zuhörer versetzen und sozusagen vom Zuhören her das zu Sprechende organisieren. 

  • Haben Ihre Zuhörerinnen verstanden, was Sie ihnen vermitteln wollten? Haben Sie also Rücksicht genommen auf deren Vorkenntnisse? Haben Sie Hilfen zum besseren Verstehen genutzt? Haben Sie auf die Reaktionen im Auditorium geachtet? Haben Sie Raum zum Nachfragen gegeben?
  • Haben Ihre Zuhörerinnen nachvollziehen können, warum und wozu es „gut“ ist, sich mit dem von Ihnen bearbeiteten Thema zu beschäftigen? Haben Sie Interesse geweckt? Haben Sie deutlich gemacht, wo Ihrer Auffassung nach das Bedeutsame oder Spannende Ihrer Thematik liegt?

Neben der Frage, was Sie „rübergebracht“ haben, spielt bei Vorträgen immer auch der Eindruck eine Rolle, den Sie als Person auf Ihre Zuhörer machen. Darin liegt ja gerade das Aufregende, vielleicht Ängstigende, aber auch Herausfordernde dieser Situation:

  • Waren Sie überzeugend? Nur wer selbst von dem, was er vorträgt, überzeugt ist, kann auch andere überzeugen.
  • Waren Sie präsent? Oder haben Sie sich hinter Ihrem Manuskript, dem Notebook, den Projektor versteckt? Haben Sie sich den Mitstudierenden zugewandt, oder haben Sie ihnen den Rücken zugewandt und zur Tafel oder Folie an der Wand gesprochen?
  • Waren Sie lebendig, beweglich? Oder haben Sie wie festgenagelt auf dem Stuhl gesessen? Konnten Sie sich auf unerwartete Zwischenfragen oder andere Vorkommnisse einstellen? Oder haben Sie stur an Ihrem Konzept geklebt? 

Freier Vortrag oder Vortrag nach Manuskript?

Wenn möglich, sollten Sie Ihren Seminarvortrag frei halten, und zwar aus folgenden Gründen: 

  • Sie üben sich darin, auch ohne vorbereiteten Text vor einem Auditorium Ihre Sache argumentativ zu vertreten (eine Leistung, die im späteren Berufsleben immer mehr gefordert ist). 
  • Sie haben besseren Kontakt zu Ihren Zuhörerinnen und Zuhörern, weil Sie nicht ständig auf Ihr Papier schauen müssen. Sie wirken lebendiger und können besser die Reaktionen des Auditoriums wahrnehmen und darauf reagieren.
  • Sie formulieren einfachere Sätze, denen beim Zuhören besser zu folgen ist.

Natürlich gibt es auch Risiken und Nachteile:

  • Wenn Sie den Faden verlieren, können Sie sich nicht an Ihrem Text orientieren.
  • Sie haben eine schlechtere Kontrolle über den Zeitbedarf. Beim freien Reden braucht man aller Erfahrung nach deutlich mehr Zeit, um denselben Sachverhalt darzulegen, als beim Verlesen eines ausgearbeiteten Textes.
  • Die spontan gefundenen Formulierungen reichen nur selten an die Formulierungsqualität heran, die bei einer schriftlichen Ausarbeitung erreicht werden kann. Das betrifft die sprachlich-ästhetische Qualität ebenso wie die inhaltliche Präzision. (In Disziplinen wie der Philosophie scheint es aus diesem Grunde geradezu verpönt zu sein, Vorträge frei zu halten.)

Um die Vorteile des freien Vortrags zu nutzen und seine Risiken zu meiden bzw. zu mildern, sollten Sie Ihren freien Vortrag möglichst durch eine mediale Begleitung, zumindest aber durch Verteilung eines Handouts unterstützen.

Regeln für Seminarvorträge

  1. Klären Sie mit dem Seminarleiter ab, wie lange Sie vortragen sollen/dürfen.
  2. Der Umfang eines zu verlesenden Manuskripts ist strikt auf die Länge zu begrenzen, dass seine (langsame und gut betonte) Verlesung die vorgesehene Zeit nicht überschreitet. Das müssen Sie vorher ausprobieren. Lesen Sie den Text jemandem vor (oder sprechen Sie ihn auf Tonträger), und stellen Sie fest, wie lange Sie brauchen und ob das Sprechtempo stimmt. (Es ist immer besser, das jemanden anderen beurteilen zu lassen.)
  3. Üben Sie zu Hause auch schon die hinreichende Lautstärke für den Vortrag. Beim Vortrag müssen Sie so laut und deutlich sprechen, dass Sie auch in den hinteren Reihen noch gut verständlich sind. Tragen Sie auch deshalb möglichst im Stehen vor.
  4. Ihr Manuskript muss für Sie selbst einwandfrei lesbar sein (z.B. ausreichende Schriftgröße!. Sie verlieren an Würde, wenn Sie beim Vortrag Schwierigkeiten haben, Ihre eigene Schrift zu entziffern.
  5. Stellen Sie einleitend das genaue Thema des Referats vor. Nennen Sie nicht einfach nur den Titel, sondern versuchen Sie, das Thema in einem oder einigen wenigen Sätzen so zu umschreiben, dass man sich schon etwas darunter vorstellen kann. Geben Sie außerdem die Autoren und Texte an, auf die Sie sich beziehen. Sagen Sie dazu, wann die Autoren gelebt haben (falls es sich nicht um zeitgenössische Autoren handelt) und wann der betreffende Text erstmals erschienen ist. 
  6. Geben Sie vorweg eine kurze Übersicht über das Gesamt-Referat. Nehmen Sie während des Vortrags ausdrücklich Rückbezug auf diese Übersicht.
  7. Formulieren Sie kurze Sätze, die man sofort verstehen kann. (Bei langen Sätzen weiß der Zuhörer am Ende nicht mehr, wie der Satz begann.) Um zu prüfen, ob Ihr Vortrag dieser Forderung genügt, halten Sie ihn probeweise vor jemandem, der vom Thema nicht allzu viel weiß. Wenn er folgen kann, werden andere, die schon vertrauter sind mit der behandelten Materie, wohl erst recht keine Schwierigkeiten haben.
  8. Scheuen Sie nicht davor zurück, besonders wichtige Aussagen noch einmal zu wiederholen, sinngemäß, aber mit anderen Worten; wenn der Wortlaut wichtig ist, ruhig auch wörtlich.
  9. Geben Sie nach Abschluss eines zusammenhängenden Gedankengangs in Kurzform noch einmal eine knappe Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen. 
  10. Bei wörtlichen Zitaten aus Texten müssen Sie Anfang und Ende des Zitats so deutlich machen, dass man es beim Zuhören verfolgen kann. Da die Angabe von Zitat-Anfang und -Ende den Redefluss unterbricht, sollten Sie möglichst wenig wörtlich zitieren.
  11. Trennen Sie deutlich zwischen den referierten Aussagen und Ihrer Interpretation und Bewertung. Ob auch Ihre Interpretation und Bewertung gefragt ist, müssen Sie mit dem Seminarleiter vorher geklärt haben.  
  12. Kündigen Sie den Schluss Ihres Vortrags an. Das mobilisiert noch einmal die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörerschaft für die abschließenden Ausführungen. Der Ankündigung muss nach wenigen Sätzen wirklich das Ende folgen!
  13. Schließen Sie Ihr Referat mit einigen Sätzen, die die Hauptaussagen Ihres Vortrags aufgreifen und zugleich hierauf bezogene offene Fragen oder Probleme formulieren, um einen Anstoß für anschließende Diskussion zu geben.
  14. Vermeiden Sie in der Diskussion eine Identifizierung mit den referierten Texten. Verständnisfragen oder kritische Einwände sind an Sie nur insoweit gerichtet, als Sie es mehr oder weniger gut vermocht haben, den referierten Positionen gerecht zu werden und sie den Zuhörern verständlich zu machen. 
  15. Bringen Sie nicht inhaltliche Quantität auf Kosten der Vermittlungs-Qualität. Lieber weniger, und das gut angebracht, als mehr, und das an den Zuhörern vorbeigeschaufelt.