Die Themenfindung zu einer wissenschaftlichen Arbeit ist erfahrungsgemäß eine der schwierigsten Herausforderungen im Studium. Das tritt besonders zu Tage bei Arbeiten, bei denen es „um viel geht“ und zugleich oft ein größerer Spielraum besteht, eigene Interessen und Perspektiven einzubringen: Prüfungs- und Abschlussarbeiten (Diplomarbeit, Magisterarbeit, Staatsexamensarbeit, BA-Thesis, MA-Thesis usw.). Aber auch bei „kleineren“ Arbeiten und selbst dann, wenn das Thema „gegeben“ wird, findet man sich mit einer oft unterschätzten Hürde konfrontiert.
Die Herausforderung lautet, ein Thema zu finden,
Der Zugang zum Thema gestaltet sich natürlich unterschiedlich, je nachdem, ob Sie das Thema selbst wählen können/müssen oder man es Ihnen „gibt“.
In den Disziplinen wird dies recht unterschiedlich gehandhabt. In den geistes- und sozialwissenschaftlichen Studienfächern wird vor allem bei größeren Abschlussarbeiten häufiger die Wahl des Themas den Studierenden überlassen. Auch bei den „kleineren“ Arbeiten während des Studiums sind die Vorgaben oft relativ unbestimmt, so dass zumindest die genauere Eingrenzung und Fokussierung des Themas von Ihnen selbst vorgenommen werden muss. In natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen sind die Vorgaben meist enger und die Aufgabenstellungen präziser; selbst Abschlussarbeiten bestehen hier oft in der Abarbeitung einer ziemlich fest umrissenen Aufgabenstellung, stellen also gewissermaßen Auftragsarbeiten dar.
Welche der beiden Varianten für Sie die angenehmere ist, lässt sich gar nicht so eindeutig sagen. Können Sie das Thema selbst wählen, stellt die Themenwahl eine eigene zusätzliche Herausforderung dar, deren Mühen oft unterschätzt werden. Gerade bei besonders anspruchsvollen wissenschaftlichen Arbeiten wie Dissertationen nimmt in geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen die Phase der Themenfindung oft einen sehr großen Zeitraum ein, der dann für die eigentliche Arbeit am Thema fehlt. Da mag es manchen einfacher erscheinen, man gibt ihnen eine klare Aufgabenstellung, mit der sie sofort loslegen können. Andererseits geht man an ein selbst gewähltes Thema mit einer anderen Motivation heran; die Bearbeitung wird in höherem Maße zum eigenen Anliegen; und das kann der Qualität sehr zu Gute kommen.
Die Polarität zwischen den beiden Varianten ist aber gar nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick scheint. Auch bei einem selbst gewählten Thema müssen Sie letztlich den Erwartungen und Anforderungen der Person genügen, die Ihre Arbeit bewerten wird. Und auch bei einem „gegebenen“ Thema müssen Sie für sich noch erschließen, worin genau denn der „Auftrag“ besteht, den Sie zu erfüllen haben.
In jedem Falle ist zu klären:
Eine Überschrift, ein Titel ist noch kein Thema! Jedenfalls dann nicht, wenn der Titel lediglich den Gegenstand oder das Gegenstandsfeld bezeichnet, das bearbeitet werden soll.
Ein Thema gibt mehr an, nämlich:
Ein Titel, der nicht nur einen Gegenstand benennt, sondern auch die inhaltliche Behandlung des Gegenstandes andeutet, würde ein Thema formulieren. Mit dem Thema ist also der Gegenstand benannt und die inhaltliche Schwerpunktsetzung in der Behandlung des Gegenstandes umrissen. Normalerweise sollten die Titel wissenschaftlicher Arbeiten ein Thema formulieren und nicht nur einen Gegenstand benennen.
Titel oder Themenbenennung und tatsächlich zu behandelndes Thema sind nicht dasselbe. Klarheit über das Thema zu bekommen, ist etwas anderes, als ein Thema benannt oder den Titel einer Arbeit zu bekommen. Möglicherweise stellt sich während der Bearbeitungszeit heraus, dass Sie mit dem Titel völlig falsche Vorstellungen über Gegenstand und Thema Ihrer Arbeit verbunden haben, und nun müssen Sie in der Tat über ein ganz anderes Thema schreiben, als Ihnen vorschwebte. Das kann Ihrer gesamten Arbeitsplanung plötzlich die Grundlage entziehen. Um in eine solche Situation gar nicht erst zu geraten, sollten Sie sich niemals für längere Zeit damit begnügen, nur den Namen des Themas zu kennen, ohne sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob Sie damit auch die richtigen Vorstellungen über Gegenstand und inhaltliche Schwerpunktsetzung verbinden. Das bedeutet im Klartext: Niemals den Beginn der Arbeit auf die lange Bank schieben; lieber die Arbeit sofort anfangen und später zwischendurch unterbrechen, falls gerade andere Aufgaben vordringlich zu erfüllen sind. Denn nur dadurch, dass Sie beginnen, sich mit Ihrem Gegenstand zu beschäftigen, gewinnen Sie Klarheit über Ihr Thema. Und dazu gehört, dass Sie möglichst früh eine handhabbare Fokussierung Ihres Themas vornehmen.
Von eminenter Bedeutung bei der Konzipierung Ihrer Arbeit ist, dass Ihnen hinreichend klar ist, was Sie eigentlich genau vorhaben. Haben Sie als Thema nur einen Begriff, so werden Sie schnell feststellen, dass Ihnen immer wieder neue Literaturtitel und andere Quellen begegnen, die darunter fallen könnten.
Reflektieren Sie, welches Interesse Sie damit verbunden haben, als Sie dieses Thema wählten (bzw. finden Sie heraus, welches Interesse die Person, die Ihnen das Thema „gegeben“ hat, damit verbunden hat). Oft gerät Ihnen nämlich bei der Literatursuche genau dieses ursprüngliche Interesse aus dem Blick, und Sie verlieren sich in einer immer bedrohlicher erscheinenden Fülle von Quellen, die „irgendwie“ dazu gehören könnten. Um zu verhindern, dass Sie so ganz schnell den Boden unter den Füßen verlieren, müssen Sie Ihr – oft ja erstmal reichlich diffuses – Interesse so zu fassen kriegen, dass Sie zu unterscheiden vermögen, welche Quellen tatsächlich etwas dazu beitragen und welche nicht.
Mein Vorschlag ist, dass Sie versuchen,
Sie können sich dann bei jedem Literaturtitel und bei jedem Arbeitsschritt fragen, ob er etwas Nennenswertes zur Beantwortung der Frage, zur Lösung des Problems oder zur Erfüllung der Aufgabe beizutragen verspricht.
Bei vielem, was zum Titel oder zur Überschrift zu passen scheint, wird sich unter dieser Perspektive zeigen, dass es andere Aspekte des Gegenstandsbereichs thematisiert, als Sie sich vorgenommen haben.
Eine der häufigsten Fragen, die Studierende mir stellen, wenn sie als Leistungsnachweis eine Hausarbeit schreiben sollen, ist die nach dem erwünschten Umfang („wie viele Seiten“). Und tatsächlich ist es ja so, dass es an den Fachbereichen, den Instituten und bei den lehrenden Personen durchaus Erwartungen, oft sogar strikte Vorgaben gibt, wie umfangreich eine Hausarbeit zu sein hat. Und selbstverständlich besteht auch ein Zusammenhang zwischen Quantität und Qualität: Je nach Aufgabenstellung und Anspruchsniveau ist unterhalb einer gewissen Quantität keine qualitativ ausreichende Leistung möglich. Dennoch gibt es hier einen großen Spielraum: zwischen gedanklich sehr komprimierten und dichten Texten am einen, ausuferndem inhaltsarmem Geschwätz am anderen Pol.
Sagen wir, Sie hätten eine „Hausnummer“ bekommen, wie viele Seiten in etwa der Umfang Ihrer Arbeit betragen soll (oder was immer als Quantitäts-Maß genommen wird). Dann geben wir Ihnen folgende praktische Empfehlung:
Teilen Sie zunächst die Zeit, die Ihnen insgesamt zur Verfügung steht, in folgende Abschnitte mit ungefähr folgenden Zeitanteilen ein (variieren Sie diese Grobeinteilung nach eigener Einschätzung):
Dabei ist zu beachten, dass dies keine streng voneinander abgrenzbaren Arbeitsschritte sind, sondern Phasen, in denen die jeweils genannte Tätigkeit im Vordergrund steht. Die Recherche ist mit zumindest kursorischer Lektüre verbunden (‘ hierzu das 5. Kapitel), bei der Abfassung der Arbeit werden Sie immer wieder auch noch mal nachlesen, was genau in den Texten stand, auf die Sie sich beziehen; bei literaturintensiven Arbeiten finden Lesen und Schreiben sogar in ständigem Wechsel statt, so dass die Lektüre hauptsächlich in die dritte Phase fällt. Beim Abfassen der Arbeit werden Ihnen vielleicht auch Lücken auffallen, die eine erneute Recherche nötig machen. Auch können sich die Themenfokussierung und damit auch die Strukturierung und Gliederung als änderungsbedürftig erweisen. Insofern müssen Sie, was den Zeitbedarf der einzelnen Phasen und damit auch die Zeitplanung insgesamt betrifft, flexibel sein.
Dennoch sollten Sie sich für das Schreiben eine feste Zeitspanne vornehmen und keinesfalls diese Zeitspanne verringern, weil Ihnen immer wieder noch ein weiterer Titel begegnet, den Sie doch „erst noch lesen“ wollen.
Dieses „erst noch dieses lesen und jenes lesen“, bevor es ans Schreiben geht, ist oft nichts anderes als die Flucht vor dem Schreiben; gepaart mit der Hoffnung, dass sich die Unsicherheit, ob man überhaupt schon so weit ist, dass man mit dem Schreiben anfangen kann, durch weitere Lektüre in Sicherheit verwandelt. Das geschieht in aller Regel nicht!! Vielmehr türmt sich mit wachsendem Lektüreumfang ein immer gewaltigerer Anspruchsberg vor Ihnen auf: denn das alles will ja (sonst wäre die Lektüre schließlich überflüssig) nachher verarbeitet werden.
Reservieren Sie sich also eine feste und eher großzügig bemessene Zeitspanne für das Schreiben. Und dann teilen Sie einfach die Zahl der zu schreibenden Seiten durch die Zahl der verfügbaren Tage: So viele Seiten also haben Sie pro Tag zu schreiben. Und das machen Sie dann auch, so konsequent es irgend geht! Um unvorhersehbaren Hindernissen bei der Einhaltung des Zeitplans vorzubeugen, versuchen Sie von Anfang an, immer etwas über Soll zu schreiben, so dass Sie mit der Zeit einen immer größeren Vorsprung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan herausholen. Sie glauben nicht, wie wohl das daraus resultierende Gefühl der Sicherheit tut.
Treffen Sie sich möglichst frühzeitig mit Ihrer Betreuerin oder Ihrem Betreuer und schaffen Sie Klarheit über die Erwartungen an Ihre Arbeit: