Wie man Quellen angibt und wie man richtig daraus zitiert, gehört zu den Kernanforderungen wissenschaftlichen Arbeitens im Studium. Hier gibt es das ganze Spektrum an Verfehlungen, von der kleinen Nachlässigkeit bis hin zum groß angelegten Betrug zur Erschleichung eines unverdienten Zertifikats.
Sie können Ihrem Leser viel erzählen. Weshalb sollte er Ihnen abnehmen, was Sie zum Beispiel über den Autor Meyer behaupten. Wenn Sie Ihren Leser davon überzeugen wollen, dass Sie sich Ihre Behauptungen nicht aus den Fingern gesogen haben, müssen Sie sie belegen. Belegen heißt in diesem Falle, dass Sie Angaben machen, die es dem Leser erlauben nachzuprüfen, ob Ihre Aussagen haltbar sind. Ihre Angaben müssen ihm also den Zugang zu den Quellen eröffnen. Dementsprechend spricht man von „Quellenangabe“.
Die Nachprüfbarkeit aller Aussagen, die Sie machen, ist ein ganz entscheidendes formales Kriterium für die Wissenschaftlichkeit Ihres Textes. Es hängt eng zusammen mit der für Wissenschaft wesentlichen sozialen Qualität des Bemühens um Erkenntnis. In der Wissenschaft geht es eben nicht um die Suche nach nur individueller Wahrheit (die es sicher auch gibt, die aber nicht Angelegenheit der Wissenschaft ist), sondern um die Suche nach dem, was allgemeine Wahrheit, also Wahrheit nicht nur für mich, sondern auch für – möglichst viele – andere sein kann. Und genau dafür, dass dies möglich wird, braucht man die Überprüfbarkeit der Aussagen, wenn sie als wissenschaftlich gelten können sollen.
„Quellenangabe“ meint also mehr als bloßes Zitieren. Bei allem, was Sie in einem wissenschaftlichen Text an Tatsachenbehauptungen von sich geben (und auch die Wiedergabe einer wissenschaftlichen Position behauptet eine Tatsache; die Tatsache nämlich, dass der und der Autor das und das – wörtlich oder sinngemäß – gesagt habe) und was nicht wirklich zum Allgemeingut jedes halbwegs mit Lebenserfahrung ausgestatteten und gebildeten Bürgers gehört, müssen Sie angeben, woher Sie es haben.
Den Autor anzugeben, von dem Sie wesentliche Gedanken übernommen haben, ist zudem Ausdruck der Anerkennung und des Dankes, den Sie jemandem leisten, der Ihnen etwas gegeben hat. Sie zeigen damit, dass Sie an einem sozialen Prozess teilnehmen und dass Sie sich dessen bewusst sind, dass man in einem solchen Prozess auch füreinander arbeitet und voneinander lernt.
Sie müssen immer dann die Quelle angeben,
Sie sollten die Quelle außerdem angeben,
Auf der anderen Seite kann man auch zu viel zitieren. Viele Studierende legen den wissenschaftlichen Grundsatz der Quellenangabe so extensiv aus, dass sie meinen, nun müssten sie so ziemlich jeden Satz, den sie schreiben, auf irgendeine wissenschaftliche Quelle zurückführen, und sei es der größte Allgemeinplatz oder eine Erkenntnis, in der nicht mehr als gesunder Menschenverstand oder alltägliche Erfahrung zum Ausdruck kommt.
Schließlich ist es zu einer unwahrscheinlich verbreiteten Unsitte geworden, sich auf wissenschaftliche Quellen zu berufen statt zu argumentieren oder Beweise zu führen. Indem man einen wissenschaftlich renommierten Autor zitiert, glaubt man sich eine nähere Begründung ersparen zu können. Wenn der und der das sagt, dann wird das schon so durchgehen. Nun ist aber der betreffende renommierte Autor keineswegs seinerseits zu seinem Renommée dadurch gekommen, dass er andere renommierte Autoren zitiert hat, sondern dadurch, dass er seine eigenen Positionen auf überzeugende Weise argu-mentativ, empirisch oder sonst wie begründen konnte. Diese Begründungen spart man sich und setzt an ihre Stelle die Berufung auf eine Quelle. Der Mühe, seine Theoriebildung geistig nachzuvollziehen, entzieht man sich ebenso wie der Mühe, diesen Nachvollzug in eigenen Worten wiederzugeben. So aber wird Wissenschaft zur Frage von Glauben an Autoritäten und Glaubensgemeinschaften, die sich um Autoritäten herum bilden.
Wir können Sie nicht davon abbringen oder abhalten, Quellenangaben und Zitate so einzusetzen, indem ich behaupte, dass Sie damit nicht durchkommen. Bei vielen Betreuern wird diese Methode wahrscheinlich wirklich funktionieren, zumal, wenn Sie einen Autor zitieren, dem Ihr Betreuer sich sehr verbunden fühlt. Dann merkt er es oft nämlich selbst gar nicht, dass die theoretischen Hintergründe völlig fehlen, weil er sie automatisch parat hat und daher womöglich gar nicht vermisst.
Schief gehen kann die Sache dann allerdings, wenn sich das Fehlen des Hintergrundes darin zeigt, dass ein Zitat in völlig falschen gedanklichen Zusammenhang eingebracht wird. So etwas kann natürlich ganz schön Minuspunkte einbringen, vor allem, wenn es als bewusster Versuch interpretiert wird, den Betreuer zu bluffen.
In diesen Zusammenhang gehört auch das „Zitat aus zweiter Hand“. Ihre Quelle ist in diesem Falle die „zweite Hand“ und nicht der Originaltext. Sie geben also korrekterweise die Literatur an, in der Sie das Zitat gefunden haben, und tun nicht so, als ob Sie aus dem Originaltext zitieren, indem Sie die Literaturangabe aus der „zweiten Hand“ abschreiben.
Heikel ist die Sache allemal. Der Autor, aus dessen Text Sie das Zitat übernehmen, weiß und hat zu verantworten, ob er es richtig interpretiert hat und ihm nicht Gewalt antut durch die neuen Zusammenhänge, in die er es gestellt hat. Sie als Zweit-Zitierer hängen in dieser Beziehung völlig in der Luft. Vielleicht ist das Zitat inzwischen schon aus dritter, vierter Hand? (Das ist vor allem bei Internetquellen sehr häufig der Fall.) Es mag – selbst wenn es im Wortlaut noch korrekt wiedergegeben wird, was natürlich keineswegs sicher ist – mittlerweile seinem ursprünglichen gedanklichen Umkreis so entfremdet sein, dass es buchstäblich nicht mehr wiederzuerkennen ist. Alles spricht also dafür, dass Sie auf Zitate „aus zweiter Hand“ möglichst selten zurückgreifen.
In Ihr Literaturverzeichnis gehört nur die Literaturangabe zu dem Text, aus dem Sie das Zitat übernommen haben, nicht aber die zum Originaltext. Ausnahme: Der sekundär zitierte Text spielt eine besondere Rolle für Ihre Abhandlung und ist im Original nicht oder nur sehr schwer zugänglich. In dem Falle müssen Sie Ihrer Literaturangabe den „Fundort“ hinzufügen. Schreiben Sie hinter die Literaturangabe: [zitiert nach: ...].
Das Urheberrecht wird im „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz)“ (UrhG) geregelt. Es umfasst zum ersten ein unabtretbares Persönlichkeitsrecht, zum zweiten ein – übertragbares, abtretbares – Verwertungs- und Nutzungsrecht. Als Persönlichkeitsrecht formuliert es den Anspruch des Urhebers eines Werks der Literatur, Wissenschaft und Kunst auf Anerkennung seiner Urheberschaft. Damit verbunden ist das alleinige Recht darüber, das Werk zu verändern und es in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Das Verwertungsrecht liegt zunächst beim Urheber, kann von ihm aber als einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht an Andere übertragen werden, z.B. an einen Verlag. Das einfache Nutzungsrecht schließt nicht aus, dass auch andere, so auch der Urheber selbst, zusätzlich das Werk nutzen; das ausschließliche Nutzungsrecht beschränkt die Nutzung auf denjenigen, dem es vom Urheber übertragen wurde. Ein Nutzungsrecht besteht grundsätzlich nur, wenn es vom Urheber eingeräumt wurde.
Hiervon ausgenommen ist das Zitatrecht, das im § 51 des UrhG geregelt wird:
„§ 51 Zitate
Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.“
Der im Gesetz genannte „besondere Zweck“ gilt als im Kontext wissenschaftlichen Arbeitens zwar generell gegeben. Dennoch sind hier einige Bedingungen zu erfüllen:
Der Gesetzestext unterscheidet zwischen 1. der Zitierung des Gesamtwerks (auch Großzitat genannt) und 2. der Zitierung von „Stellen eines Werks“ (auch Kleinzitat genannt). Ein Gesamtwerk (z.B. ein Gedicht oder ein kompletter Aufsatz) darf nur zitiert werden, wenn ihm ein eigenständiger Kommentar zur „Erläuterung des Inhalts“ dient, der wissenschaftliche Qualität aufweist. Stellen eines Werks dürfen zitiert werden, soweit dies im Rahmen eines „selbständigen Sprachwerks“ geschieht, also im Rahmen eines Textes, der selbst den Schutz des UrhG beanspruchen kann, d.h. eine literarische, wissenschaftliche oder künstlerische Leistung darstellt.
Ihre wissenschaftliche Hausarbeit gewinnt also keineswegs dadurch den Charakter eines „selbständigen Sprachwerks“ wissenschaftlicher Qualität, dass Sie solche Werke zitieren, sondern erst dadurch, dass Sie eine eigenständige wissenschaftliche Leistung erbringen, in deren Rahmen Sie auch zitieren. Fehlt eine solche eigenständige Leistung, verwirken Sie sogar das Recht zu zitieren.
Das Zitatrecht entbindet nicht von der Wahrung des Urheberpersönlichkeitsrechts, also der Nennung des Urhebers des Werks, aus dem zitiert wird; und dem Verbot der Veränderung des Werks. Gegen das Urheberrecht verstoßen also Zitate ohne Quellennachweis (Urhebernennung) und Zitate, in denen der ursprüngliche Text verändert wurde, ohne dass ausgewiesen wird, dass diese Veränderung auf den zitierenden Autor zurückgeht. (Zu den daraus resultierenden Regeln für die Zitiertechnik ‘ Abschnitt 10.4.2)
Auch Abbildungen oder Tabellen unterliegen dem Urheberrecht. Wenn Sie Abbildungen „zitieren“, handelt es sich zudem oft um ein Großzitat, dessen Verwendung stärkeren Restriktionen unterliegt. Sofern also die Abbildung selbst nicht einen unselbstständigen Teil eines Werkes darstellt (etwa als grafische Veranschaulichung eines im Text erläuterten Zusammenhangs), sollten Sie sich sicherheitshalber beim Urheber oder einer Organisation, die Urheberrechte wahrnimmt, um eine Abdruckgenehmigung bemühen. Die VG Bild-Kunst in Bonn (http://www.bildkunst.de) verfügt über die Rechte an den Bildern vieler Künstler und Fotografen. Für wissenschaftliche Werke werden Genehmigungen häufig honorarfrei oder kostengünstig erteilt.