Von Plagiaten spricht man, wenn jemand die wissenschaftliche Leistung eines anderen als eigene ausgibt. Plagiate sind aus mehreren Gründen verwerflich.
Der erste Grund ist wissenschaftsimmanent: Die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit kann man als ein Ethos betrachten, was allerdings keineswegs eine beliebig austauschbare Werthaltung meint. Es hängt eng zusammen mit dem modernen Selbstverständnis des Menschen und mit der Demokratie als gesellschaftlicher Verfassung und Staatsform. Dieses moderne Selbstverständnis setzte sich im 18. Jahrhundert durch und besagt, dass das menschliche Zusammenleben von den Menschen selbst nach ihren Vorstellungen zu gestalten ist und nicht von transzendenten Kräften bestimmt wird, denen man zu gehorchen hat, oder von einem Schicksal, dem man ausgeliefert ist. Die Gestaltungskraft, auf die man sich dabei beruft, ist die grundsätzlich jedem Menschen innewohnende Vernunftfähigkeit. Sie wird angerufen, wann immer Menschen sich auf rationalem Wege zu verständigen suchen. Deshalb auch hat nach modernem Verständnis jeder Mensch das Recht auf soziale und politische Teilhabe. Der einzige Grund, weshalb einem erwachsenen Menschen die „Mündigkeit“ abgesprochen werden kann, ist, dass er in seiner Vernunftfähigkeit behindert ist; andere Gründe wie Herkunft, Geschlecht, Rasse, Religion, Weltanschauung usw. dürfen keine Rolle spielen.
Auch die wissenschaftliche Haltung hat mit Partizipation zu tun: Jedem vernunftfähigen Menschen soll grundsätzlich die Teilhabe am Prozess wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung ermöglicht werden. Dazu gehört, dass jede wissenschaftliche Arbeit der rationalen Überprüfung und Kritik ausgesetzt wird; und dass offen gelegt wird, wie ihre Aussagen zustande gekommen sind. Dafür steht ihr/e Autor/in mit ihrem/seinem Namen ein. Was Sie nicht selbst erarbeitet und durchdacht haben, dafür können Sie auch nicht einstehen.
Jede wissenschaftliche Arbeit speist sich aus zwei Quellen: dem eigenen Beitrag und den verwendeten und verarbeiteten Beiträgen anderer. Alles, was von anderen übernommen wurde, ist als übernommen kenntlich zu machen. Es ist keineswegs verboten, sondern geradezu geboten, dass wissenschaftliche Beiträge anderer in die eigene Arbeit übernommen werden; nicht in Ordnung ist, wenn dies verborgen wird und die Beiträge anderer als eigener Beitrag ausgegeben werden.
Ein zweiter Grund ist pädagogischer Art: Wenn Sie plagiieren, verzichten Sie auf eine eigene Auseinandersetzung mit dem Thema. Statt sich eigene Gedanken zu machen, machen Sie sich die Gedanken anderer zu eigen; statt die Chance zu nutzen, Ihre Fähigkeiten weiter zu entwickeln und sich zu einer autonomen und verantwortungsfähigen Persönlichkeit zu bilden, vernachlässigen Sie Ihre eigene Bildung und präsentieren im Plagiat ein Bild von sich und Ihren Fähigkeiten, das jemand anderes entworfen hat. Sie maskieren sich.
Ein dritter Grund ist moralischer Art: Sie verweigern dem Autor, dessen gedankliche Leistung Sie sich zu eigen machen, die Anerkennung, die darin liegt, dass man ihre Verwendung nachweist.
Besonders leicht gemacht wird das Plagiieren durch das Riesenangebot an wissenschaftlichen Arbeiten, die Studierende ins Netz stellen. Manches dürftige Referat wird dort zu höheren Preisen angeboten als ausgezeichnete Bücher von Fachleuten zu demselben Thema. Warum wohl? Weil die Anbieter darauf setzen, dass sich solche Arbeiten eher als eigene Leistung einem Betreuer unterschieben lassen als wirkliche Expertenarbeiten; und es deshalb eine zahlungskräftige Nachfrage danach gibt. Aber auch Online-Lexika und andere Online-Dokumente werden häufig plagiiert. Die Technik des copy and paste macht es so einfach; die Versuchung ist groß. Aber die Computertechnik macht es auch sehr einfach, Plagiate aus dem Internet nachzuweisen. An den meisten Unis sind inzwischen ausgefuchste Programme im Einsatz, die Plagiate aufspüren.
Und ein letzter Grund ist rechtlicher Art: Sie verletzen Urheberrechte; Sie täuschen und betrügen. Das kann ernsthafte Konsequenzen für Sie haben, die in keinem Verhältnis stehen zu der erhofften Ersparnis an Mühen. Ersparen Sie sich lieber die Peinlichkeit, die mit der Entlarvung Ihres Täuschungsversuchs verbunden wäre: Dass Sie auf kritische oder auch interessierte Nachfrage nicht kompetent antworten können, weil Sie in Wahrheit viel weniger Ahnung haben, als Ihr Plagiat suggeriert. Dass Sie als geistiger Dünnbrettbohrer und Trittbrettfahrer dastehen, dem das Selber-Denken zu anstrengend ist. Dass man Sie als Dieb des geistigen Eigentums anderer betrachtet; als Betrüger und Täuscher.
Die Grenzlinie zwischen korrekter Verwendung fremder Leistung und Plagiat verläuft da, wo Sie diese Verwendung nicht kenntlich machen. Das kann auch einfach mangelnde Erfahrung und mangelnde Vertrautheit mit den Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens sein. Aber spätestens nach wenigen Semestern müssten Sie letztere soweit kennen, dass dies als Erklärung oder gar Entschuldigung nicht mehr akzeptiert werden kann. Sobald Sie in Kenntnis der Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens Ihre Quellen nicht nachweisen, plagiieren Sie. Tun Sie es nach wenigen Semestern noch aus Unkenntnis, dann verstoßen Sie immerhin gegen fundamentale Regeln und demonstrieren damit schwerwiegende Defizite, was Ihre Studierfähigkeit betrifft. In beiden Fällen sehen Sie nicht gut aus.
Im Zusammenhang mit den öffentlich bekannt gewordenen Plagiatsaffären um prominente Politiker/innen hat es eine breite Diskussion um korrektes Zitieren und korrekten Quellennachweis gegeben. Auf der einen Seite wurden Verstöße gegen das Gebot der Nachprüfbarkeit teils hemdsärmelig als handwerkliche Ungenauigkeiten bagatellisiert („ein paar Anführungsstriche falsch gesetzt“ oder „vergessen“), auf der anderen Seite wurden teils Forderungen zu fragwürdigen Verschärfungen der formalen Anforderungen laut. Zu letzteren gehörte auch das proklamierte Verbot des „Eigenplagiats“, also der wörtlichen Übernahme von Textpassagen aus eigenen Schriften des Autors ohne formalen Quellennachweis und ohne Anwendung der üblichen Zitierregeln.
Man muss an dieser Stelle sicher differenzieren. Nicht wenige in der Wissenschaftstradition hoch geschätzte und häufig zitierte Autoren haben sich des „Eigenplagiats“ schuldig gemacht, indem sie teils größere Textpassagen aus zuvor schon veröffentlichten Schriften wörtlich in neuere Schriften übernahmen, ohne sie als wörtliches Zitat mit Quellennachweis auszuzeichnen. Hier wurde ja keineswegs die Leistung eines Anderen als eigene Leistung ausgegeben. Es bleibt dabei, dass es sich um eine originäre Leistung dieses Autors handelt, auch wenn er sie früher schon einmal genau so veröffentlicht hat. Beim „Selbstplagiat“ geht es also um etwas anderes: Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass dieser Gedanke, dieses Argument oder diese Erkenntnis jetzt zum ersten Mal in die Diskussion eingebracht wird. Vielmehr soll deutlich gemacht werden, seit wann dieser Gedanke, dieses Argument oder diese Erkenntnis schon in der wissenschaftlichen Diskussion ist. Das ist sicherlich ein durchaus sinnvolles Ansinnen, und der Wunsch, dass sich alle wissenschaftlichen Autoren an das Gebot des „Selbstzitats“ halten, also die Erstveröffentlichung ihrer diesbezüglichen Überlegungen und Erkenntnisse kenntlich machen, ist nachvollziehbar. Aber völlig überzogen ist es, Verstöße dagegen in den Kontext von Plagiatsvorwürfen zu stellen.
Noch nicht einmal der Vorwurf fehlender Quellenangabe ist zutreffend, da sowohl die erstmalige als auch die neuere Verwendung dieser Textpassage der selben Quelle entstammen, nämlich der originären wissenschaftlichen Arbeit dieses Autors. Es ist ja nicht die Lektüre seiner eigenen früheren Schrift, durch die er auf diesen Gedankengang gekommen oder aufmerksam geworden ist, zumal viele Autoren so arbeiten, dass sie gelungene Formulierungen zu bestimmten Gegenständen oder Themenbereichen in Form von Textbausteinen (früher: Karteikarten in Zettelkästen) für spätere Verwendung archivieren und sicher nicht immer für eine Übersicht darüber sorgen, in welcher Veröffentlichung sie ein solches Selbstzitat schon einmal verwendet haben.
Anders liegen die Dinge bei Qualifikationsarbeiten (Bachelor-, Master-, Magister-, Diplom-, Doktor- und Habilitationsarbeiten). Generell gilt ja für Arbeiten im Studium, dass sie nicht ein zweites Mal zum Erwerb eines Leistungsnachweises oder als Prüfungsleistung verwendet werden dürfen. Für Qualifikationsarbeiten wird zudem in aller Regel verlangt, dass sie gegenüber der vorhergehenden Qualifikationsarbeit desselben Autors eine neue weiter gehende Leistung darstellen. Wenn also z.B. jemand eine Master-Thesis verfasst, dann muss diese gegenüber der vorausgehenden Bachelorarbeit eine nennenswerte wissenschaftliche Mehr-Leistung dokumentieren. Bestünde sie überwiegend aus einer Abschrift der Bachelorarbeit, lediglich ergänzt um ein Kapitel, in dem eine zusätzliche Literaturquelle referiert wird, ohne dass die Übernahme offen gelegt wird, dann hat zwar der Autor sich nicht bei einem anderen Autor bedient, aber die Master-Thesis hat sich unzulässigerweise bei der Bachelor-Arbeit bedient. Kennt der Betreuer die Bachelor-Arbeit nicht (was beim Wechsel in einen Master-Studiengang häufig der Fall sein dürfte, insbesondere wenn der mit einem Studienortswechsel verbunden war), wird ihm eine Leistung suggeriert, die für diese Arbeit gar nicht erbracht wurde. Daher also: In Qualifikationsarbeiten müssen Anleihen aus vorausgehenden Qualifikationsarbeiten als „Selbstzitate“ ausgewiesen werden. Hierfür gelten die selben Regeln wie für sonstige Zitate und Quellennachweise.
Diese Regel ist jedoch nicht auf Leistungsnachweise (Hausarbeiten, Referate) während des Studiums anzuwenden. Abschlussarbeiten sollen ja gewissermaßen summierend die Früchte des Studiums und der in seinem Verlauf aufgewandten Mühen in einem Produkt ernten und dokumentieren. Die durchweg der wissenschaftlichen Öffentlichkeit üblicherweise gar nicht zugänglichen, da unveröffentlichten und auch Seitens der Hochschule nicht archivierten Studienleistungen sind regulär ohnehin keine zitier- und nachweisbaren Quellen. Auch „unveröffentlichte Manuskripte“ können nur als wissenschaftliche Quellen zitiert werden, sofern sie dennoch für Rezipienten der Arbeit, in der sie zitiert werden, zugänglich sind oder – beispielsweise als Anhang zu dieser Arbeit – zugänglich gemacht werden. Selbst Abschlussarbeiten, die von den Hochschule für eine gewisse Zeitspanne (meist 5-10 Jahre) archiviert werden, sind nicht im akademischen Sinne „veröffentlicht“, sondern nur zeitweise öffentlich zugänglich.
Da die diesbezüglichen Vorschriften der Hochschulen sehr heterogen und unterschiedlich streng sind, sollten Sie Anleihen aus einer vorausgehenden Qualifikationsarbeit unbedingt immer ausdrücklich ansprechen und kenntlich machen.